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Interview: Im Gespräch mit Dr. Stephan Anders von der DGNB

Smart City Chirine Etezadzadeh

Herr Dr. Anders wird im Namen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) auf der Blisscity sprechen. Bildquelle: DGNB.

Blisscity – Deutschlands erste Smart City Convention – wird am 21. – 22. November in Frankfurt stattfinden. Dr. Stephan Anders, Leiter des DGNB System, wird dort einen Vortrag zum Thema “Der Umgang mit Bestandsimmobilien im urbanen Raum” halten und stand SmartCityNews.global schon vorher für ein Interview zur Verfügung.

SCN.globalHallo Herr Dr. Anders, Sie sind Speaker der Blisscity. Was waren Ihre Beweggründe für eine Mitwirkung bei der Blisscity? 

Anders: Die Blisscity Convention ist eine in Deutschland einzigartige Plattform für die Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unsere Städte haben wird und welchen Beitrag diese für eine nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung leisten kann. Insbesondere die Frage, welche Smart City Solutions auch unter Nachhaltigkeitssicht sinnvoll und richtig sind, treibt mich um und darum möchte ich sie mit den Teilnehmern diskutieren.

SCN.globalWofür setzt sich der DGNB e.V. ein? 

Anders: Die deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) setzt sich dafür ein, nachhaltiges Bauen in die Breite zu bringen. Denn gerade der Bausektor trägt eine große Verantwortung für den Energie- und Ressourcenbedarf in der Welt. Mit unseren rund 1.200 Mitgliedern aus der gesamten Bau- und Immobilienbranche und darüber hinaus arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen an diesem Ziel.  Mit der DGNB Akademie sensibilisieren wir Menschen zu dem Thema. Das DGNB System bietet die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit von Projekten objektiv zu bewerten und zu steuern. Mittlerweile haben wir damit über 2.000 Projekte im In- und Ausland auszeichnen können. Darüber hinaus setzen wir uns für das Thema in Deutschland, Europa und auf globaler Ebene, wie jüngst bei der Weltklimakonferenz in Bonn, ein.

SCN.globalWas bedeutet heutzutage eigentlich nachhaltiges Bauen und welche Rolle spielen dabei Zertifikate? 

Anders: Nachhaltiges Bauen bedeutet für uns mehr als Energieeffizienz. Einfach gesagt: Nachhaltige Gebäude sind gut für den Menschen und schonen die Umwelt sowie die Geldbeutel. Insgesamt haben wir gemeinsam mit unserer Mitgliedschaft rund 30-40 Anforderungen (abhängig vom Nutzungsprofil) an nachhaltige Gebäude, Innenräume und Quartiere definiert. Diese reichen vom Thema Ökobilanz, Biodiversität und Flächeninanspruchnahme über Lebenszykluskosten und Komfort für den Nutzer bis hin zur integralen Planung und Beteiligung. Dies zeigt, dass es nicht trivial ist, ein nachhaltiges Gebäude zu planen. Viele Themen müssen berücksichtigt werden. Ein Zertifikat stellt für den Mieter oder Käufer einer Immobilie den Beweis dar, dass er die Qualität bekommt, die er „bestellt“ hat. Ein Qualitätssicherungsinstrument, wenn Sie so wollen. Auch für Eigennutzer ist es sinnvoll. So können diese mit dem Zertifikat ihren Mitarbeitern zeigen, dass ihnen als Unternehmen die Mitarbeiter und deren Arbeitsplatz wichtig sind.  Darüber hinaus kann das Zertifikat auch für CSR-Berichte und das Marketing verwendet werden.

SCN.globalWelche Zertifikate hat der DGNB im Angebot? Und wie kommt es, dass diese Zertifizierung international so viel Zuspruch erfährt? 

Anders: Mittlerweile gibt es für nahezu jede Nutzung ein passendes Profil. Von Innenräumen über Gebäude bis hin zum Quartier und Industriestandort. Auch differenzieren sich die Profile noch zwischen Neubau, Sanierung, Bestand und Betrieb. Schon von Anfang an hatten wir auch immer großen Zuspruch aus dem Ausland und konnten auch schon einige Projekte zertifizieren. Aktuell sehen wir eine große Nachfrage aus Asien, insbesondere China.

SCN.global: Die Realität unserer deutschen Städte ist der Bestand. Sie werden den Umgang mit Bestandsimmobilien im Rahmen Ihres Vortrages thematisieren. Welche Rolle spielt der Bestand hinsichtlich der Nachhaltigkeit unserer Städte? 

Anders: Die Städte in Europa sind gebaut. Wenn wir ernsthaft die Klimaschutzziele erfüllen möchten, müssen wir am Bestand ansetzen, was keine leichte Aufgabe ist. Aus den Erfahrungen der letzten 10 Jahre haben wir mit dem System „Gebäude in Betrieb“ ein Tool entwickelt, mithilfe dessen mit vertretbarem Aufwand die Performance von Gebäuden optimiert werden kann. Dieses wird mittlerweile von vielen Akteuren angewendet und erfreut sich großer Beliebtheit. Auch gibt es erste größere Gebäudeportfoliohalter, die Interesse daran haben, dass Tool zu nutzen und für mehrere Gebäude zu nutzen. Hier sind wir sicherlich noch am Anfang, jedoch ist im Bestand der Hebel für mehr Nachhaltigkeit am Größten. Auch sehen wir, dass das Thema Bestand und Sanierung auch in Ländern wie China immer wichtiger wird.

SCN.global: Wie stehen Sie zum Thema Dämmung? 

Anders: Eher kritisch. Natürlich gibt es viele ökologische Dämmstoffe, die schon unsere Urgroßeltern genutzt haben, jedoch werden in der Praxis zum Großteil künstlich hergestellte Materialien verwendet, bei denen wir heute nicht wissen, ob wir sie in 20 oder 30 Jahren als Sondermüll entsorgen müssen. Darüber hinaus werden diese Dämmmaterialien häufig verklebt (Wärmedämmverbundsystem, WDVS), was ein Wiederverwenden unmöglich macht. Wir setzen uns für rückbau- und recyclinggerechte Konstruktionen ein, mit dem Ziel, die eingesetzten Produkte zu 100% wieder verwenden zu können. Die Ressourcenknappheit wird in den nächsten Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnen. Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Thema Dämmung ist der Bestand. Wir sind der Meinung, dass bestehende Gebäude mit einer identitätsstiftenden Fassade nicht mit einem WDVS saniert werden sollten. Die Betrachtungsgrenze sollte vielmehr auf das Quartier erweitert werden. Die Energie, die ich für das identitätsstiftende Bestandgebäude „verliere“, könnte doch durch ein neues Gebäude im Quartier kompensiert werden, das mehr Energie erzeugt als es benötigt.

SCN.global: Können Sie umreißen, wie ein smarter Umgang mit Bestandsimmobilien aussehen könnte?

Anders: „Smart“ heißt für mich ein intelligenter Umgang mit vorhandenen Ressourcen. So trägt die Mehrfachnutzung von Räumen genauso dazu bei, dass Gebäude smarter werden wie Sensoren, die es ermöglichen, den Energiebedarf zu optimieren. In diesem Spannungsfeld zwischen Low Tech und High Tech möchte ich mit meinem Vortrag Anregungen geben, wie Nachhaltigkeit in der Praxis umgesetzt werden kann.

Damit steigern Sie die Vorfreude auf Ihren Vortrag. Wir freuen uns darauf! Bis dann in Frankfurt!

Dr. Stephan Anders wird am 22.11.2017 im Panel „Buildings + City Development“ auftreten.

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